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08. Juni 2022
Kommunikation

Interview

08. Juni 2022
Kommunikation

Der Stiftungsrat Albert Anker-Haus Ins hat Daniela Schneuwly mit der betrieblichen und künstlerischen Leitung des zukünftigen Centre Albert Anker ab 1. April 2022 beauftragt.

Daniela Schneuwly hat mit ihrer Ausbildung als Kunsthistorikerin und Papierrestauratorin, nebst der Tätigkeit bei der kantonalen Denkmalpflege, vielseitige Erfahrungen im Museums- und Vermittlungsbereich gesammelt. Ihre erste Aufgabe ist die Gestaltung eines Betriebs- und Ausstellungskonzepts für das Centre Albert Anker, das im Herbst 2023 als Künstlerhaus eröffnet werden soll.
Daniela Schneuwly sagt uns im Interview, welche Herausforderungen auf sie warten und welche Ziele und Wünsche sie mit der Leitungsstelle verbindet.

Daniela, was findest du spannend bei Albert Anker?

Albert Anker hat vor fast 200 Jahren gelebt. Aus damaliger, wie aus heutiger Sicht war er ein sehr weltoffener Mensch. Nicht nur, dass er sieben Sprachen beherrschte, sondern auch, dass er sich mit verschiedensten Themen wie Geschichte, Kunst, Archäologie, Pädagogik, Theologie, Literatur und Politik auseinandersetzte, macht ihn zu einem Humanisten des 19. Jahrhunderts. Zu Unrecht wird Albert Anker oft nur als ländlicher Genremaler wahrgenommen. Tatsächlich ist er aber viel gereist und lebte während der Winterjahreshälfte mit seiner Familie jeweils in Paris, wo er intensiven Kontakt mit Künstlerfreunden pflegte. Als einer der führenden Realisten beteiligte er sich regelmässig am Pariser Salon und war Mitorganisator der schweizerischen Abteilung an der Pariser Weltausstellung von 1878. Je länger und intensiver man sich mit dem Leben und den persönlichen Briefen dieses ausserordentlichen Künstlers beschäftigt, desto spannender und interessanter wird die Persönlichkeit Albert Ankers.

Was reizt dich an der Aufgabe, ein Künstlerhaus zu leiten?

In Ins haben wir die einmalige Chance, ein Künstlerhaus zu präsentieren, das einen umfassenden und authentischen Einblick in das Leben und Wirken eines der wichtigsten Schweizer Künstler mit internationaler Ausstrahlung gibt. Dank der Sorgfalt der Nachkommen von Albert Anker ist seine Wirkungsstätte mitsamt Einrichtung und Ausstattung weitgehend unverändert erhalten geblieben. Die unzertrennliche Gesamtheit eines Entstehungsorts berühmter Kunstwerke und der bürgerlichen Wohnkultur des Künstlers in einem nahezu original erhaltenen Bauernhaus der Zeit um 1800 ist von grösster kunst- und architekturgeschichtlicher Bedeutung. Vergleichende Beispiele von Künstlerhäusern im Kanton Bern sind rar, bekannt sind etwa das ehemalige Künstlerwohnhaus mit Atelier von Cuno Amiet von 1910 in Oschwand oder das Atelier Robert von 1886 in Biel. Es ist für mich eine reizvolle und auch ehrenhafte Aufgabe, die Leitung des Centre Albert Anker zu übernehmen, um das Erbe dieses bedeutenden Schweizer Künstlers an einem einzigartigen Kulturort zu erhalten und einem breiten Publikum weiter zu vermitteln.

Welche Vision und Leitlinien sind die Basis für das Betriebs- und Ausstellungskonzept?

Statistische Erhebungen und die Corona-Pandemie zeigen, dass der Besuch von Museen und Kultureinrichtungen nach wie vor zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten der Schweizer Bevölkerung gehört. Der Stiftungsrat hat ein Leitbild entwickelt, das die Basis für das Betriebskonzept ist. Ein schon früh verfasster Kulturbusinessplan (von P. Bieder, R. Boschung und M. Frey im Rahmen des Masterprogramms Kulturmanagement an der Universität Basel) trägt mit Analysen und Strategievorschlag zur Diskussion bei. Wichtigstes Ziel ist es, das einzigartige Erbe integral zu erhalten und dieses den Bedürfnissen des heutigen Publikums entsprechend zu vermitteln. Mit der lokalen Verankerung in Ins kann auf Bestehendes aufgebaut werden. Das CAA versteht sich als Teil der Dorfgemeinschaft und auch als Brückenbauer in die Region und die Welt.
Das CAA lebt von seiner Authentizität und der Möglichkeit, ein einmaliges Besuchserlebnis anbieten zu können: nämlich in das Leben, die Zeit und die Gedankenwelt des Künstlers einzutauchen. Diese Besonderheit kann ausgebaut werden. Es soll ein Familienort und ein Ort von Begegnung und Austausch werden. Eine Art «Zeitreise» für Neuentdecker*innen, aber auch eine Stätte für Studien und wissenschaftliche Forschungsarbeiten. Albert Anker soll von den Besuchenden als weltoffener Geist mit einem vielfältigen Schaffen wahrgenommen werden. Persönlich ist es mir ein grosses Anliegen, dem interessierten Publikum auch neue, noch nie gesehene Zeichnungen und Aquarelle aus der Sammlung des Ankerhauses zeigen zu können. Denn Anker war beispielsweise auch ein begnadeter Landschaftszeichner und -aquarellist. Als national bedeutender Kulturort soll das CAA als «Kleinod» im schweizerischen Kulturleben einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Das historische Wohnhaus und Atelier und der neu gebaute Kunstpavillon sind dein Wirkungsfeld. Wie werden diese Räume bespielt?

Das Centre Albert Anker wird um eine wichtige Komponente erweitert, dem neu gebauten Kunstpavillon. Dieses Kunstdepot bietet die Möglichkeit, die sammlungseigenen Bestände sachgerecht zu lagern und professionell zu konservieren. Dank diesem Bau kann das CAA als Dienstleistungsstelle für Wissenschaftler*innen und Studierende auftreten und den Wissenstransfer stärken. Im Pavillon gibt es einen idealen Raum, um Sonderausstellungen mit Objekten und Werken aus der eigenen Sammlung einzurichten, geradezu ein moderner «Schatzspeicher».
Im ehemaligen unverfälschten Atelier und partiell im historischen Wohnhaus sind geführte Besichtigungen geplant. Die Besuchenden werden damit reizvolle Einblicke in die damalige Lebensart gewinnen und sozusagen am Familienleben Ankers teilhaben können. Sie erfahren so, in welchem Kontext die berühmten Anker-Werke entstanden sind.
Das ehemalige Tenn und die Heubühne werden unter Berücksichtigung der originalen Bausubstanz und in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege zu Schauräumen umgewandelt, in denen eine Dauerausstellung über Albert Anker als Künstler und Mensch in seiner Zeit präsentiert wird. Mit heutigen Kommunikationsmitteln kann sein politisches und kulturelles Engagement auf regionaler und nationaler Ebene umfassend beleuchtet werden. Eine kleine attraktive Auswahl an Büchern und Postkarten und eine kleine Bistrobar runden das Angebot für einen Besuch im CAA ab.

Wie motivierst du das Publikum, ins CAA zu kommen?

Je nach Anlass kann das Zielpublikum variieren. Interessante Wechselausstellungen im Pavillon, themenspezifische Führungen im historischen Haus und im Atelier, Lesungen, Konzerte, Filme, Gespräche … all das sind Möglichkeiten, ein breites, an Kultur und Kunst interessiertes Publikum im CAA anzusprechen. Familienveranstaltungen wie eine Kinderführung im Atelier oder ein Anker-Picknick im Garten ziehen ein jüngeres Publikum an. Die Veranstaltungen sollen in einer einmaligen Atmosphäre genossen werden, weshalb wir während der Aufbauarbeit prüfen werden, wie viele Anlässe aufgrund der Betriebsstruktur möglich und sinnvoll sind.

Wie kann gelingen, dass auch ein junges, an zeitgenössischer Kunst interessiertes Publikum nach Ins kommt?

Der unmittelbare Zugang zu diesem Künstler und sein Wirken in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts kann zunehmend attraktiv für ein junges, an Individualisierung gewöhntes Publikum sein. Gerade das «Live-Erlebnis» durch die Begegnung mit dem Original, mit Werken, Ausstattungsstücken und Orten kann in der heute stark digitalisierten Welt wieder geschätzt werden. Junge Leute können in den Lokalitäten oder in Workshops von Albert Anker als humanistisch gebildetem, kultiviertem und seiner Zeit gegenüber wachsamem Künstler viel lernen oder dies als Inspirationsquelle für einen aktiven gesellschaftlichen Diskurs in der Gegenwart nehmen. Werke und Installationen junger zeitgenössischer Kunstschaffender in Auseinandersetzung mit dem Werk von Albert Anker könnten Räume oder den Garten bespielen.